Zuerst erschienen in Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Nr. 6 - Juli 2010 - mit geschichtlichen Hinweisen von Dr. Hans-Bernd Spies

 

Auf der Suche nach F. T. Berg

Wer malte 1818 das bayerische Kronprinzenpaar mit dem Aschaffenburger Schloß im Hintergrund?

Zum 800jährigen Jubiläum des Regierungsantritts des Hauses Wittelsbach in Bayern erschien 1980 in München ein umfangreiches Werk, dessen letzter Band zugleich den Katalog zur seinerzeitigen Ausstellung im dortigen Völkerkundemuseum darstellt. Darin ist auch ein Gemälde „Kronprinz Ludwig und Therese vor Aschaffenburg" abgebildet, signiert und datiert mit „F. T. Berg 1818"; das Bild wird wie folgt beschrieben:

„Unter einer Geißblattlaube [...] sitzt Ludwig zusammen mit seiner jungen Frau. Die Kronprinzessin trägt ein weißes Atlaskleid mit Spitzenkragen und blauen Schleifchen. Sie hält eine Miniatur ihres Gemahls. Dieser umschließt mit der Rechten ihren Arm und sitzt, mit dem Blick auf sie, ihr zugewandt. Er trägt die schwarze ,altdeutsche' Tracht eines Hubertusritters mit Bruststern und altertümlichem Spitzenkragen. Der Blick geht auf Schloß Aschaffenburg, das die Residenz des Kronprinzen war, der sich auch noch als König häufig in diesem äußersten Teil seines Reiches aufhielt."

Aus der Beschreibung eines anderen Gemäldes des gleichen Malers, das zuerst abgebildet ist, geht hervor, daß über den Künstler in München nichts bekannt war. Es handelt sich bei diesem Gemälde um die Darstellung „König Max Joseph und Königin Karoline vor Würzburg", ohne Jahreszahl signiert mit „F. T. Berg". Der Katalogtext dazu lautet:

„Das Gemälde des sonst unbekannten Malers zeigt das bayerische Königspaar nebeneinander auf einer Bank sitzend. Sie sind von rechts gesehen. Vorne der König in Redingote und Reitstiefeln, in der Rechten den Zylinder. Neben ihm die Königin Karoline in einem roten, weiß verzierten 'altdeutschen' Seidenkleid, in den dunklen Locken ein Diadem. Sie hält in der Linken einen blauen Regenschirm mit umgekehrter Mechanik, während die Rechte sich auf den Unterarm ihres Gemahls stützt und dabei ein Lorgnon hält. Zwischen den Bäumen hindurch erblickt man die Festung Marienberg. Das Gemälde des wahrscheinlich in Franken tätigen Malers soll auf die Verbundenheit des bayerischen Herrschers mit Franken hinweisen."

Als Standort beider Gemälde wird München, Schloß Nymphenburg genannt; die Inventarnummern sind WAF B I a 32 bzw. 31.

Den Inventarnummern nach sind die beiden Gemälde Eigentum des 'Wittelsbacher Ausgleichsfonds', einer 1923 errichteten Stiftung zur Versorgung der Mitglieder des alten Adelsgeschlechtes. Eine Nachfrage dort ergab, daß sie sich in den Privaträumen des Chefs des Hauses Wittelsbach - eines Urenkels des letzten bayerischen Königs Ludwig III. - befinden und nicht öffentlich zugänglich sind. Nachdem es vor Jahren sogar gelungen war, die Genehmigung für eine Reproduktion des Gemäldes aus dem Schloß Versailles zu erhalten, das die Begegnung zwischen Fürstprimas Carl und Kaiser Napoleon im Jahr 1806 vor dem Aschaffenburger Schloß zeigt, war es den Versuch wert, auch die Wittelsbacher um eine solche Erlaubnis zu bitten. Nach angemessener Bedenkzeit wurde tatsächlich auch hier die Genehmigung erteilt und damit die Möglichkeit eröffnet, ein nahezu unbekanntes Bild mit dem bayerischen Prinzenpaar mit Aschaffenburg im Hintergrund zu präsentieren.

Nicht weniger reizvoll war es aber auch herauszufinden, wer denn der Künstler war, den nicht einmal die Besitzer der Gemälde kannten, der aber immerhin Mitglieder des Königshauses malen durfte und auch in Aschaffenburg tätig war. Ein Blick in das mit 37 Bänden bislang umfangreichste abgeschlossene Lexikon der bildenden Künstler der Welt - nach seinen ersten Herausgebern 'Thieme-Becker' genannt - führte nicht weiter. Dort sind zwar viele Kunstschaffende mit dem Namen Berg verzeichnet, aber es war keiner dabei, der bezüglich der Zeit und der Vornamen in Frage kam.

Es fügte sich nun, daß 2009 ein Buch über die bildende Kunst im Spessart erschienen war, in dem die regionalen Künstler dargestellt sind. Darin ist auch ein N. N. Berg erwähnt - seine Vornamen waren dem Herausgeber also nicht bekannt -, aber viel hat das Lexikon nicht zu berichten, es heißt nur: „19. Jh. Maler, Zeichner. Tätig in Aschaffenburg. Ab 1814 Unterricht der freien Handzeichnung an der Höheren Zeichenschule in Aschaffenburg."

Im Gegensatz zu vielen allen anderen in dem Buch erfaßten Künstlern gibt es zu diesem kein Werkverzeichnis, sondern es wird nur auf zwei Veröffentlichungen verwiesen, in denen Berg erwähnt ist. Die ältere zitiert ohne genaue Angabe eine Quelle, die besagt, daß 1814 „dem Maler Berg der Unterricht in der freien Handzeichnung anstatt des alten, schwachen vorhinnigen Lehrers allergnädigst übertragen" wurde. In dem anderen, umfangreicheren Werk ist eine Verordnung König Maximilians I. Joseph vom 6. November 1818 über die Organisation der Studienanstalten in Aschaffenburg abgedruckt, in der es im Abschnitt über die Nebenlehrer heißt:
"Die Nebenlehrer betreffend wird der Maler Berg nach dem berichtlichen Antrag als Zeichnungslehrer mit 220 fl. jährlicher Remuneration bestätigt." Berg blieb also damals weiterhin Zeichenlehrer am Gymnasium und erhielt ein Jahresgehalt von 220 Gulden. Daß er schon früher, nämlich 1814 oder spätestens 1815, in Aschaffenburg als Zeichenlehrer tätig gewesen war, ergibt sich aus seiner Erwähnung im Zusammenhang mit einem als Zeichner besonders befähigten Studenten.

Beide Notizen betreffen die Zeit von 1814/15 bis 1818 - wären also für den gesuchten Maler passend; da aber auch darin kein Vorname genannt ist, besteht immer noch keine Klarheit, ob es sich um den Gesuchten handelt. Erst ein Blick in das entsprechende Kirchenbuch der Pfarrei St. Agatha führt weiter. Bei den Sterbefällen findet sich unter dem 11. April 1820 der Eintrag, daß an diesem Tag der ledige Franz Theodor Berg aus "Altenhofen" bei Jülich, "artis pingendi profeßor" (Professor der Malkunst) im Alter von 54 Jahren starb. Weitere Sicherheit gibt das Aschaffenburger Wochenblatt vom 3. Mai 1820, in dem sich bei den amtlichen Artikeln zwei "Gerichtliche Bekanntmachungen" finden, die Berg betreffen. In der ersten geht es um die Aufforderung an seine Erben, sich in Aschaffenburg zu melden:
"Der Mahler und Lehrer der freien Handzeichnung am hiesigen Gimnasium, Franz Theodor Berg, aus Altenhofen bei Jülich gebürtigt, ist am 10ten vorigen Monates ohne Testament verstorben. Da demnach die Intestat-Erbfolge eintritt, dessen nächste Verwandte aber gänzlich unbekannt sind; so werden dieselbe aufgefodert, ihre etwaige Erbansprüche dahier in Zeit drei Monaten geltend zu machen, widrigenfalls die Verlassenschaft an die erscheinende Erben ausgeliefert, oder, im Falle sich Niemand melde, an den Fiscus abgegeben werden soll. Aschaffenburg den 25ten April 1820. K. B.23 Kreis- und Stadtgericht. Graf Fugger, Präsident."

Mit der zweiten Bekanntmachung wurden eventuelle Gläubiger Bergs aufgerufen, ihre Ansprüche vorzubringen:
„Alle diejenige, welche an die Verlassenschaft des dahier verlebten Mahlers und Lehrers der freien Handzeichnung Franz Theodor Berg aus irgend einem Rechtsgrunde Forderungen zu machen haben, werden aufgefordert, dieselbe binnen sechs Wochen bei unterzeichneter Stelle um so gewisser anzubringen, als ansonst die Masse an die Erben abgegeben wird. Aschaffenburg am 25ten April 1820. K. B. Kreis- und Stadtgericht Aschaffenburg. Graf Fugger, Präsident.”

Bei dem sowohl im Kirchenbuch als auch in der ersten Bekanntmachung als Geburtsort genannten "Altenhofen" bei Jülich handelt es sich um das südwestlich dieser niederrheinischen Stadt gelegene Aldenhoven, in dem Berg, ausgehend von seinem erreichten Lebensalter, um 1766 geboren wurde. Sein Geburtsdatum ließ sich allerdings nicht ermitteln, da die fraglichen Kirchenbücher nicht überliefert sind. Auf das nördliche Rheinland als Wirkungsraum Bergs vor seiner Zeit in Aschaffenburg weist auch die noch nicht abgeschlossene Neubearbeitung des 'Thieme-Becker' hin, denn dort steht über diesen Künstler: "Berg, F. T, dt. Maler, Radierer, Kupferstecher in Köln, um 1803-10 erwähnt. Galt als geschickter Miniaturist (z.B. Porträt einer Dame, sign., 1810) und Illustrator (z.B. zwei Kpst. für Biographie des doppelten Meuchelmörders Pet. Jos. Schäffers Pfarrers, Köln 1804)."

Aus der in diesem kurzen Artikel angeführten Literatur, die lediglich die Vornamenkürzel des Künstlers kennt, geht hervor, daß Berg als Miniaturmaler und Radierer zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Köln tätig war. An gesicherten Arbeiten von ihm aus dieser Zeit sind lediglich zwei Bildnisse des 1803 als Mörder hingerichteten Pfarrers Peter Joseph Schäffer, nämlich einmal im Kerker sitzend und einmal ein Brustbild, sowie das 1810 auf Elfenbein gemalte Miniaturportrait einer Frau bekannt. Letzteres könnte auch schon in Aschaffenburg entstanden sein, wo Berg bereits am 7. März 1811 Trauzeuge bei der Heirat eines Verwaltungsbeamten war.

Zusammenfassend läßt sich über Franz Theodor Berg sagen:
Er wurde um 1766 in Aldenhoven bei Jülich geboren, wirkte Anfang des 19. Jahrhunderts in Köln als Maler und Radierer, kam einige Zeit vor dem 7. März 1811 nach Aschaffenburg und war hier von 1814 oder 1815 bis zu seinem Tod am 10. April 1820 als Zeichenlehrer sowie - zumindest 1816 - auch als Bäcker am Hof beschäftigt. Durch die letztgenannte Tätigkeit war Berg gleichsam ein Kollege des knapp 20 Jahre älteren und spätestens 1803 nach Aschaffenburg gekommenen Hofkonditors und Korkbildners Carl Joseph May.

Berg hatte durch seine künstlerische Tätigkeit offensichtlich ein solches Ansehen erreichen können, daß er die Gelegenheit bekam, 1818 das Kronprinzenpaar und sogar den König nebst Gattin in zwei korrespondierenden Gemälden zu portraitieren. Die Qualität dieser beiden Gemälde Franz Theodor Bergs ist bemerkenswert, und er hat es sicher verdient, aus dem Dunkel der Kunstgeschichte herausgeholt zu werden.
 
Peter Schweickard

 

 

 

 


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